25. Oktober 2011

Stromberg…

Category: Essen,Twifo-Praso — Angelika @ 14:15

Hach… was soll ich schreiben? Es gibt schöne Zeiten und auch harte. Die letzten vier Wochen kann man wohl getrost zu den letzteren zählen. Zum einen neigt sich die Regenzeit ihrem Ende zu. Will heißen: Es regnet täglich ab genau 16 Uhr bis zum Morgen. Will aber auch heißen: Es gibt Stromausfälle. Aber nein, nicht mal eben für ‘ne halbe Stunde oder so, sondern 22 von 24 Stunden täglich, und das ist nicht gelogen. Seit nunmehr sechs Wochen. Mit anderen Worten: Der Kühlschrank hat Raumtemperatur (zur Zeit ca. 30 Grad), abends Sitzen bei Kerzenschein („oh, wie romantisch!!“), kein abendliches Fernsehprogramm für die Kids, so gut wie kein Computer (zwei Stunden Strom plus 2 Stunden Akku eben), Handy tot, Internet tot, das Wasser wird knapp, weil die Wasserpumpe es nicht mehr tut (zum Glück gibt’s Regentonnen, die lassen sich beim allnachmittäglichen Starkregen ja auch hervorragend füllen), und nachts werden wir schweißgebadet wach, weil eben der Ventilator aufgehört hat, seine Arbeit zu verrichten. Und da in Twifo ja, wie Ihr alle wißt, der Bär los ist, sind wir nach diesen Wochen in Ermangelung jedweder Erheiterungen auch ordentlich genervt. Eine solche Erfahrung gehört wohl auch in die Kategorie „wertvoll“, da lernt man sich so richtig kennen, kann ich Euch sagen! *lach* Wir halten uns indes wacker und denken uns (im übrigen genauso wie mit den Schmelzkäseecken, dem fehlenden Gemüse, dem Ungeziefer und dem Müll): „Bald werden wir wieder soviel Strom, leckeren Gouda-Käse, Spinat und Sauberkeit haben, daß es uns aus den Ohren herauskommt und wir dick und rund werden.“ Also, Augen zu und durch! Trotzdem sind natürlich manche Situationen schwer zu ertragen.

Gemunkelt wird im Übrigen von Korruption: Stom abstellen, aber den üblichen Verbrauch abkassieren. Wir sagen da mal nix.

Ach, apropos Viecher: Vor allem wegen der Schlangen haben wir uns zwei süße Katzenmädchen, Ilvie und Priscy, zusätzlich zu Kater Findus zugelegt. Denn seit Findus bei uns ist, haben die Wächter höchstens noch einmal pro Woche eine Schlange aus irgendwelchen Löchern gezogen, es ist also deutlich besser geworden. Doppelt gemoppelt hält besser, also her mit den Kätzchen. Nun sind unsere Damen natürlich noch recht klein und entsprechend ineffektiv, wie ich heute feststellen mußte, als ich die Treppe hinunter ins Badezimmer stiefeln wollte. Auf halber Höhe spritzte plötzlich eine sehr zierliche, grüne Schlange hinfort und machte sich ums Eck und unter die Badewanne. Nu saßen wir da, Matthew, der Tagwächter, Mary, die Haushaltshilfe, und ich und waren irgendwie… unfähig noch irgendwas anderes zu tun, als auf diesen doofen Badewannen-Spalt zu starren. Matthew stocherte ein wenig hilflos darin herum, aber die Schlange hatte es sich bereits eingerichtet. Gift sprühen war auch keine richtige Lösung, denn wer sollte wissen, ob das Viech da unter der Wanne nun tot sei, oder irgendwann doch noch rauskommt. Also stocherte Matthew erst einmal weiter mit seinem Stöckchen in der Öffnung. Leider ohne Erfolg. Dann kam ich auf die coole Idee, das Ungetüm irgendwie auszuräuchern. Feuer unter der Wanne machen war ja nicht drin. Und so nahm ich eine unserer Moskitospiralen (kein Gift, die machen nur ordentlich Rauch) und schubberte dieselbe so weit wie möglich hinein in das Loch. Nach drei Stunden immer noch nichts. Da marschierte Mary dann los hinunter in die Stadt, unseren allwissenden, weil in Urwaldfragen unschlagbar erfahrenen Nachtwächter Anabi zu suchen. Ich brühte derweil schonmal auf dem Gasherd große Töpfe mit Wasser auf, damit’s dann auch so richtig ungemütlich wird unter der Badewanne mit Moskitoqualm und Hitze. Und endlich, das Wasser hatte gerade zu sieden angefangen und ich war dabei, schon mal den Stopfen in die Wanne zu tun, kam die Kleine dann doch raus. Ich brüllte los, und Matthew erlegte sie dann barfuß und mit einem Stock bewaffnet. Natürlich war er mächtig stolz hinterher, und wir feiern ihn auch ordentlich.

Eine andere Sache, die uns derzeit Unbehagen bereitet, ist der Zustand unserer Haut. Seit nunmehr einem halben Jahr plagen wir uns jetzt mit dem sogenannten „Ringwurm“ herum, einem Hautpilz, der sich kreisförmig ausbreitet und angeblich „hochinfektiös“ ist. Das können wir nur bestätigen. Daan hatte ihn aus der Schule eingeschleppt, und trotz täglicher Cremerei mit einer Spezialsalbe will das Ding einfach nicht verschwinden! Daneben entwickeln Thomas und ich immer wieder mal dicke Abszesse. Das ist sehr unschön, und zwar nicht nur optisch, weil die Dinger höllisch wehtun. Das einzige, was dagegen bislang geholfen hat, ist – mal wieder – die Einnahme von Antibiotika. Für gute Tipps wären wir daher dankbare Abnehmer.

Und was gibt es sonst noch so zu berichten? Vielleicht mal was Schönes zur Abwechslung? Ok. Zu meinem Geburtstag dieses Jahr hatte ich mir mal etwas ganz Besonderes einfallen lassen. Normalerweise flüchte ich ja immer, weil mich feiern immer so unter Streß setzt. Doch nun hatte ich mir überlegt: „Wenn ich schon in Ghana bin, dann will ich auch mal einen ganz anderen Tag erleben, so einen besonderen eben in welcher Richtung auch immer.“ Also lud ich alle meine Freunde ein, und zwar ganz bewußt nur die aus Twifo. Das war für den Großteil der Eingeladenen rätselhaft, weil Geburtstage in Ghana eigenlich nicht gefeiert werden, aber wenn’s was gibt, kommt man gerne, egal zu welcher Gelegenheit. Ein echt deutsch-ghanaischer Geburtstag sollte es werden mit gemischter Kost, so inetwa hatten Thomas und ich uns das gedacht. Aber, so sollten wir lernen, gemischte Kost ist nicht angesagt. Wenn „Madam“ ein Fest gibt, dann muß mindestens eine Ziege dran glauben, darunter geht’s nicht. Und Mary hatte sich partout in den Kopf gesetzt, das zu organisieren. Folglich zog sie los zu ihren Bekannten und Verwandten, um ihnen eine Ziege abzukaufen. Leider war aber einige Tage zuvor bei den Moslems das Ende des Ramadan gefeiert worden, und da hatten sie ratzeputz alle Ziegen aufgegessen. Es war auch nicht eine einzige übriggeblieben. Aber Ziege mußte es nun einmal sein, da gab es gar nichts zu diskutieren. Also sind wir auf die Dörfer gefahren, denn dort laufen ja schließlich genug Ziegen ‘rum. Das alles in der Regenzeit, wohlgemerkt, bei zum Teil fast unpassierbaren Straßen. Aber nach drei Wochen hatten wir es dann endlich geschafft. Das heißt: Mary hatte es geschafft. Heimlich (wir hatten ihr in der Zwischenzeit verboten, in dieser Sache noch in irgendeiner Weise tätig zu bleiben) hatte sie das gute Stück kilometerweit durch die Dunkelheit und strömenden Regen auf ihren Schultern zu sich nach Hause geschleppt. Da durften wir es dann fröhlich mit unserem Auto abholen.

Zu essen gab es folglich: Fufu mit Grandnut-Soup, Fufu mit Lightsoup, Khebab Sticks und Rindswürstchen vom Grill, gekochte Plantains und zwei große Schüsseln Nudelsalat, den letzten Rest deutscher Küche, auf den ich mich versteift hatte (und von der wir hinterher noch 1,5 Schüsseln alleine schlabbern mußten.) Mary hatte auch ausdrücklich den Auftrag erhalten, für die ghanaischen Gäste zu kochen und nicht für uns. Entsprechend wurde natürlich auch alles in die Soße getan, was in irgendeiner Weise nach „nahrhaft“ roch. Bilder sagen manchmal mehr als tausend Worte:

Die Gäste waren begeistert! Fast alle Eingeladenen waren gekommen, die Stimmung war gut, alle haben gefuttert was das Zeug hielt, und ich hatte einen wundervollen Tag. Wenn auch anders. Aber das war ja auch Zweck der Übung gewesen. Wie GhanaerInnen feiern, ist irgendwie schwer zu beschreiben. Es geht alles… sagen wir… ein wenig „steifer“ und „formeller“ zu. Diesen Geburtstag werde ich unter meinen vielen jedenfalls niemals vergessen.

9. August 2011

Daktari…

Category: Essen,Sehenswürdigkeiten,Twifo-Praso — Angelika @ 22:31

Mit Erschrecken mussten wir feststellen, dass unser letzter Blogeintrag nun schon fast vier Monate zurückliegt. Zeit, sich dringendst zu melden, aber auch spannend zu sehen, wie sehr uns der Alltag mittlerweile fest im Griff zu haben scheint. Es ist so viel passiert, was wir hier in der Kürze gar nicht alles berichten können. Aber um mal wieder einen Anfang zu kriegen, und Euch zumindest grob auf dem Laufenden zu halten, fasse ich mal kurz zusammen:

Tatsächlich führte uns ende April eine Reise in den Norden Ghanas. Nur wir vier, also ein richtiger Familientrip. Es ging hoch in Richtung Tamale, der Hauptstadt der Northern Region. Und es ist in der Tat beeindruckend, wie sehr sich eine Landschaft binnen weniger Autostunden verändern kann. Die fruchtbaren, saftigen Buschgebiete der Küstenregion wichen ausgetrockneten, staubigen Pisten mit vergleichsweise dünner, ausgemergelter Vegetation. Hier im nördlichen Teil des Landes ist der Anteil der Muslime weit größer als im Süden, der Kleidungsstil (wohl auch auf Grund der klimatischen Bedingungen) entsprechend anders und selbst die Hausbauweise ähnelt so in nichts dem, was wir bislang so haben sehen dürfen:

Hier finden sich echte Rundhütten aus Lehm, welche zum Teil wie kleine Festungen mit Mauern als Verbindung im Kreis angeordnet sind. Um die Jahreswende bläst hier immer der Harmattan, ein warmer, trockener Wüstenwind aus der Sahara, welcher oft Unmengen an Staub mit sich trägt. Diesen Wind spüren wir sogar in Twifo, aber man kann sich vorstellen, was im Norden so los ist zur Harmattanzeit.

Und unsere Elefanten haben wir natürlich auch gesehen. Circa 90 Kilometer süd-westlich von Tamale liegt der Mole Nationalpark. Dort mieteten wir uns einen bewaffneten Guide und fuhren in sengender Hitze los bis in die Nähe eines Wasserlochs, dann ging’s zu Fuß weiter. Und tatsächlich tummelten sich in dem Loch 7 Elefantenbullen (die Weibchen bleiben mit dem Nachwuchs im geschützten Busch) und genossen die Kühle des Wassers. Da standen wir nun mit den beiden Kindern im Dickicht und beobachteten mit großen Augen die Tiere, bis diese sich aufmachten und tatsächlich nur 10 Meter von uns entfernt an Land stiegen und sich ein Stückchen weiter versammelten:

Uns blieb fast das Herz stehen, es war ein atemberaubendes, einzigartiges und unvergessliches Erlebnis. Das pure Glück auf Erden!!! Wir und die Racker eins mit der Welt.

Leider waren beide Kinder zu dieser Zeit ein wenig angeschlagen. Das heißt sie waren fit bis auf einen hässlichen Ausschlag im Gesicht. Die Leute hier nennen das „Blister-Bug.“ Es handelt sich hierbei um irgendeinen Käfer, der nach dem Biss wässrige Blasen auf der Haut hinterlässt, welche, wenn sie denn aufplatzen, wieder andere Stellen infizieren. Das bedeutet also cremen und einmal wieder Antibiotikum, was man hierzulande netterweise für wenige Cedis einfach so im Drug-Store kaufen kann. Nach einer guten Woche waren die Pusteln abgeheilt, es besteht folglich kein Grund zur Besorgnis.

Hatten wir den Jahreswechsel zusammen mit Hanna und Max genossen (an dieser Stelle nochmal vielen lieben Dank für Deine Fotos, Max, die sind spitze!!), so besuchten uns nun zu unserer großen Freude Kiki und Tabea. Es war eine schöne Zeit, in der wir zusammen vieles erleben durften. Besonders schön war für uns alle dass wir mehrfach eingeladen wurden und somit gemeinsam die Gelegenheit hatten, in die dörfliche Gemeinschaft einzutauchen. Die Gastfreundschaft der GhanaerInnen ist in der Tat unbeschreiblich. Neben diversen Geschenken wurden für uns Darbietungen aufgeführt, gesungen, getanzt und natürlich gekocht. Am bezauberndsten waren jedoch die liebreizenden Mädchen von Taylorkrom, einem abgelegenen und bisweilen schwer erreichbaren Dorf ohne Strom mitten im Regenwald. Die Mädchen tanzten für uns. Und niemals werde ich ihren Gesang vergessen:

Ich schaute Thomas an, Thomas schaute mich an, und wir beide hatten Tränen in den Augen. Aber zum Glück hat es ja niemand gemerkt.

Doch auch abgesehen von „besonderen“ Begebenheiten und Erlebnissen, gibt es noch so manches an Kuriositäten zu berichten. Neulich zum Beispiel fiel es mir wir Schuppen von den Augen. Da muss ich über ein Jahr lang in Ghana sein, um endlich einige entscheidende Zusammenhänge zu verstehen! *lach* Ihr kennt doch sicher alle diese braunen, haarigen Dinger, welche in Deutschland so für teuer Geld als Kokosnüsse verkauft werden. So sah für mich eine Kokosnuss aus. Und hier hab ich immer nach dieser speziellen Art von Kokosnuss gesucht, weil sie ja so lecker ist, und mich gewundert, warum es die so gar nicht gibt. Bislang gab es hier nur die mit wenig Fruchtfleisch, welche am Straßenrand zum Trinken aufgeschlagen werden. Bis ich letzte Woche unsere Wächter Anabi und Matthew beim Werkeln beobachtete. Als ich näher ranging (da war ich doch mal neugierig geworden), stellte sich heraus, dass sie die Kokosnüsse von unserer Palme geschüttelt hatten und für den Transport in die Stadt zum Verkauf für die Ölgewinnung vorbereiteten, indem sie die Schale grob abhackten (denn so ‘ne Kokosnuss-Schale ist ja schwer und nimmt außerdem noch Platz weg):

Und siehe da: Ich hab endlich meine Kokosnüsse! Und zwar Unmengen davon! Direkt neben unserem Hauseingang!!!

Exotik hin oder her – bisweilen sind wir doch näher an Europa dran, als wir jemals für möglich gehalten hätten. Besonders dem eingefleischten Borussia-Fan in unserer Familie schlägt jeden Samstag Nachmittag das Herz höher: Sowohl die Entscheidungsspiele zur Meisterschaft als auch den Start der neuen Bundesliga-Saison konnten wir live und in Farbe in unserem Wohnzimmer miterleben. An jedem Wochenende werden mehrere Spiele live und vollständig übertragen. Es gibt sogar ein echtes „Bundesliga-Studio“ mit Experten-Talk. Das ist sensationell!

Zum guten Schluss möchten wir Euch noch ein Bild präsentieren, das wir Euch bislang immer vorenthalten hatten, einfach aus der Tatsache heraus, dass es immer so schnell ging und Anabi den Störenfried meist schnell entsorgte. Denn mindestens einmal wöchentlich wird rund ums Haus eine Schlange aus irgendeinem Schlupfloch gezogen. Hier ist sie nun, unsere „small Cobra“ der Woche:

Seit wir Findus, den Kater haben, ist es weniger geworden, aber nichts desto Trotz werden wir uns jetzt doch noch eine nette Katzendame zulegen. Besser ist besser.

16. April 2011

Chicken Run…

Category: Cape Coast,Essen,Twifo-Praso — Angelika @ 00:42

Wie in einem der letzten Beiträge erwähnt, arbeite ich nun endlich auch wieder. Zusammen mit der niederländischen Parnergemeinde von Twifo, Wormerland, werkele ich daran, die District-Assembly in Sachen Computer wieder ein wenig in Richtung des gegenwärtigen Stands der Technik zu bringen. Das hieß natürlich zunächst einmal, die vorhandenen Computer zu sichten, von Viren und anderem Getier zu reinigen und zum Teil wieder flott zu machen für den Arbeitseinsatz. Im Anschluß daran folgten diverse Workshops (IT-Sicherheit, Office-Anwendungen) und demnächst das Herzstück des Ganzen, eine Face-to-Face Schulungseinheit mit jeder einzelnen MitarbeiterIn, der/die das seltene Glück hat, über einen echten „Computerarbeitsplatz“ zu verfügen. Die Arbeit macht Spass, denn meine ghanaischen KlientInnen sind in der Tat dankbare, geduldige und zum Teil sehr wissbegierige und interessierte ZuhörerInnen. Was man sich für Deutschland kaum vorstellen kann: Sie hüpfen mitten in der Schulungseinheit freudig von den Stühlen und juchzen vor Glück, wenn ihnen etwas gefallen hat oder sie etwas Neues, Hilfreiches gelernt haben und bedanken sich überschwänglich. Und wer hört nicht gerne „You are the best!“? Es macht ‘ne fröhliche Atmosphäre, und gut für’s Ego ist es auch.

Zuhause hat sich auch ein bischen was getan:

Vor einigen Wochen stand Watchman Matthew plötzlich irritiert an der Balkontür und meinte, er müsse nun mal ganz schnell runter in die Stadt zur hiesigen Polizeistation gehen. In unserem Garten habe sich nämlich eine Kuhherde verirrt, die wohl in einem der nahegelegenen Dörfer entlaufen sei. Und tatsächlich grasten sieben Rindviecher im Bananenhain. Während Matthew nun auf seinem Marsch in die Stadt war, machte sich das Grüppchen aber davon in Richtung Busch. Später am Abend und auch noch am nächsten Tag sichteten wir die Tiere dann weiter unten am Wegrand, dann hatte sie wohl jemand wieder eingefangen.

Und was macht die Hühnerfarm? - Von unseren vier origal holländischen und für hiesige Verhältnisse elend teuren Legehennen fristet derzeit nur noch eine einsam im eigens renovierten Hühnerhaus ihr Dasein. Diesmal waren es nicht der Hahn für eine Henne, sondern schlichtweg alte Suppenhühner gewesen, die wir uns hatten aufschwatzen lassen. Da bewirkte dann unser high-tech Legefutter lediglich, dass sich Eier bildeten, wo rein platztechnisch einfach keine Eier mehr rauskommen konnten. Die Hennen wurden kugelrund und sahen dann irgendwann einfach nicht mehr so fiedel aus. Und was macht die tierliebende Familie da? Notgedrungen aufessen natürlich. So ein fritiertes Suppenhuhn ist zwar kein Leckerbissen, aber Mary hat’s hingekriegt.

Apropos Mary: Eine neue „Maid“ haben wir auch. Araba hat uns leider anfang Januar verlassen, und an ihre Stelle trat Mary. Sie hat sich gut eingelebt, und dank ihres herzlichen und gewinnenden Lachens ist die Stimmung auf’m Hügel meist bestens. Und wie man sieht, hat sie selbst die „Nuß“ geknackt:

Mary arbeitete lange Jahre für das drittbeste Restaurant am Platze. Jetzt gibt’s bei uns immer sonntags lecker Essen (ghanaian dish.) Unter ihren Händen wird selbst das zäheste Suppenhuhn weich wie Butter, denn Mary kennt alle Tricks. Und natürlich hat sie auch ganz genau im Blick, welches Huhn gerade mal wieder irgenwie „pummelig“ geworden ist und weg muss. *g*

Aber ganz abgesehen von unserer häuslichen Gemütlichkeit, sind wir natürlich nicht abgeschnitten von der Welt. Facebook läßt grüssen. Die weltweiten politischen Ereignisse (von Fukushima bis Marburg Mitte) lassen uns natürlich nicht unberührt. Insbesondere die Kämpfe in der Cote d’Ivoire sind hier sichtbares Thema. Denn besonders auf der Küstenstrasse zwischen Accra und Takoradi kann man noch immer die flüchtende Oberschicht des Landes in in der Regel vollbesetzten Luxuslimousinen beobachten. Lag Thomas gerade das Marburger Stadparlament am Herzen, so schockierten uns beide vor allem die nichtendenwollenden Schreckensmeldungen aus Japan. Da schwimmen wir doch gerne mit auf der „grünen Welle“, die gerade über Deutschland schwappt! Grün?? In Ghana hat man anscheinend andere Sorgen. Hier ein Eindruck von Moree-Beach:

Niemals zuvor hatten wir einen derart zugemüllten Strand gesehen. Geier pickten im Dreck herum, überall lagen Plastik, Autoteile und angeschwemmte Wäschestücke, von menschlichen Exkrementen mal ganz abgesehen. Bietet doch das Meer für die Menschen in den kleinen Fischerdörfern diverse Einnahmequellen. Neben dem Fischfang werden darin die Kleider gewaschen, wird der Strand nach Goldpartikeln ausgesiebt, Treibholz für die Feuerstelle gesammelt oder in den angetriebenen Müllteilen nach Verwertbarem gewühlt.

Hier kann man mal wieder einige erhellende Erkenntnisse über die Lebensbedingungen dieser Menschen gewinnen. Besonders die (zum Teil noch sehr kleinen) Kinder sind stark eingebunden in den Erwerb des Lebensunterhalts und oftmals nahezu vollends auf sich gestellt. Sie sind es, die in den Müllhalden der Restaurants nach Essensresten suchen, welche dann auch gleich verzehrt werden. Ein Kind, das sich über den Tag hinweg selbst versorgen kann, bedeutet einen Esser weniger am Tisch. So hart ist das. Das ist Überlebenskampf. Ein Kampf, der schon früh beginnt. Ein Kampf, der keine Chancen oder Alternativen mehr bietet.

In unserem Distrikt besteht nach aktuellen Erhebungen der lokalen Gesundheitsverwaltung bei rund 30% der Kinder eine Mangelernährung. Ursache ist allerdings nicht die Armut, sondern unzureichendes Wissen über gesunde Ernährung. Es fehlen oft selbst die grundlegendsten Basics. Nicht oft, aber doch gelegentlich kann man sogenannte „Hungerbäuche“ bei Kindern ausmachen. Kaum vorstellbar in einem Land, in dem die Bananen (und andere Früchte) in rauhen Mengen nur von den Bäumen gepflückt werden müssten. Stattdessen greifen gerade die wirtschaftlich Minderbemittelten auf Althergebrachtes zurück. Und das sind immer wieder Cassava und Gari. Billig, bauchfüllend und, schier endlos durchgegart (jaja, die Keime!), tauchen sie auf jedem Speiseplan auf.

Ein weiteres schwerwiegendes Problem ist die hohe Rate schwangerer Teenager, die häufig aus Vergewaltigung und Kindesmissbrauch resultiert. Über diverse Kampagnen wird versucht, die Öffentlichkeit für das Thema zu senibilisieren. Im Folgenden eine Geschichte, derer Thomas jüngst mehr oder weniger zufällig Zeuge werden durfte: Er war zum Treffen mit dem Chief eines Ortes geladen. Dort sprachen plötzlich und unerwartet Eltern mit ihrer 12-jährigen Tochter vor, um dem Chief von dem erfolgten Missbrauch derselben durch einen älteren Einwohner zu berichten. Angeblich hatte er ihr ein Schlafmittel verabreicht, um sie dann zu vergewaltigen. Es wurde alsbald gehandelt und entschieden, das Kind ins Krankenhaus von Twifo zur weiteren Untersuchung zu bringen. Die Anschuldigungen wurden bestätigt, der Täter gefasst, doch zwei Wochen später haben die Eltern alle Anschuldigungen zurückgenommen und sich „gütig“ mit dem Täter geeinigt. Nach dem Gesetz hätte den Mann eine Strafe von mindestens sieben Jahren Gefängnis erwartet, das war dann wohl doch zu hart. Eine finanzielle Entschädigung (über die Dimension lässt sich nur mutmaßen, wahrscheinlich aber weniger als 100 Cedi) war dann wohl die bevorzugte Variante. Das Kind bleibt sich selbst überlassen.

Demgegenüber stehen dann die sogenannten „Elite-Kinder.“ Kinder, deren Eltern auf irgendeine Weise das Geld aufbringen, ihnen eine ordentliche Ausbildung zuteil werden zu lassen. Die Familien dieser Kinder sind in der Regel auch nicht „reich“, arbeiten zum Teil hart dafür, ihren Kindern diese Chance zu geben. Und auch diese (besseren) Schulen haben Probleme: Daan und Janne gehen auf eine Schule in Hemang, das liegt etwa 20 km (eine halbe Autostunde) von Twifo entfernt. Die Schule wird von einer amerikanischen Stiftung der Mormonen unterstützt, das finanzielle Polster ist demensprechend verhältnismässig üppig. Und selbst bei dieser Schule crashte neulich der gebraucht erstandene Schulbus, nachdem der alte nicht mehr zu reparieren gewesen war. Was tun?? Die Kinder mußten doch zur Schule! Also haben alle mitgeholfen. Die Gärtner mit ihrem Gärtner-Pickup (offene Ladefläche wohlgemerkt, die Kinder sprotzten fast hinten heraus), der Headmaster mit seinem Bully… und ich mit dem Landroverchen. Vollgestopft bis unters Dach tuckerten wir zwischen Twifo und Hemang hin- und her.

Und das ging mehrere Wochen so bis… naja… bis zum Ferienbeginn. Der liegengebliebene Schulbus steht auch immernoch am Straßenrand irgendwo im Nirgendwo. Mit Fahrer, der ihn bewacht. Das ist anscheinend günstiger, als ihn abzuschleppen. Arbeit ist billig.

Wir für unseren Teil werden die Ferien nutzen, um eine Reise in den Norden Ghanas zu unternehmen. Vielleicht sehen wir ja Elefanten.

In diesem Sinne… Schreibt mal wieder!

 

7. März 2011

The Tourist (2)…

Category: Sehenswürdigkeiten,Twifo-Praso — Angelika @ 23:42

Nachdem wir unsere traurige Hundegeschichte nun halbwegs verdaut haben, wollen wir sie mal fluchs von der Startseite tilgen, indem wir einfach ein bischen vom ansonsten doch recht erbaulichen Leben in Twifo berichten. Najaaa… mal von besonderen Events, wie Weihnachten oder Geburtstagen abgesehen. Die gestalten sich immer irgendwie schwierig. Sei es, dass für einen echten „Kindergeburtstag“ einfach keine Kinder verfügbar sind, wie im Falle von Daan, oder die Sache mit der Geschenkebeschaffung… Oder Kuchenbacken: Eine Unternehmung, die langfristige Planung erfordert und nicht mal eben spontan durchgeführt werden kann. Und natürlich sind die Freunde weit weg. Im Nachhinein spricht Thomas ironisch von „Thomis tollem Tag“, dem „schönsten Geburtstag seines ganzen Lebens.“ - Was soll ich sagen? Die mühevoll auf dem Markt erfeilschten Sandaletten waren zu klein, weil die Ghanaer einfach Minifüße zu haben scheinen, der Fugu (ein traditionelles, ursprünglich aus dem Norden des Landes stammendes, Oberteil für Männer), welches auf gar keinen Fall zu knapp ausfallen durfte, entpuppte sich als eher für kleine, dicke Afrikaner geeignet. Bauschte irgendwie auf, das gute Stück. Entsprechend groß war natürlich Thomas’ Freude. Na, es blieben ja noch die selbstgemalten Bilder unserer beiden Goldstücke, die natürlich ausgerechnet an Papas großem Tag zu kleinen Monstern mutiert waren. Alles in allem: Ein großer Erfolg, das Ganze. Zum Glück verbrachten wir das Geburtstagswochenende im „Ko-sa“ Beachressort, so dass das Zelebrieren der Doppelvier trotz des Geschenkefiaskos wenigstens in schönem Ambiente stattfand. Verdrängen wir’s und wenden uns lieber erheiternderen Themen zu:

In “The Tourist (1)…” hatten wir uns ja vor allem in der Gegend um Twifo herumgetrieben, aber Hannas und Max’ Besuch über Neujahr nahmen wir dann doch zum Anlaß, uns im eher nördlichen Teil des Landes ein wenig umzutun und eine echte Rundreise mit dem Landrover zu unternehmen. Die erste Etappe unserer gemeinsamen Tour führte uns also nach

Kumasi

Thomas’ Kollege hatte die Familie einschließlich unserer Freunde in seine Heimatstadt eingeladen, eine Gelegenheit, die wir selbstverständlich gerne wahrnahmen. Hier bewies sich wieder einmal die grenzenlose Gastfreundschaft der GhanaerInnen. Einer der ersten Sätze unseres Gastgebers war: „Our fridge is your fridge. Please take whatever you want!“ Und entsprechend wurden wir fürstlich bewirtet, keinen Cedi durften wir bei unserer Sightseeing-Tour ausgeben, er übernahm wie selbstverständlich alle Kosten für uns Sechs und war förmlich beleidigt, als wir auch einmal etwas bezahlen wollten. Zwei Tage lang zeigte er uns Kumasi, eine Stadt, die viel aufgeräumter und strukturierter anmutet, als beispielsweise Accra. Der Zoo befindet sich mitten im Stadtzentrum neben dem Zentralmarkt, dem größten Markt Westafrikas. Highlight dieses Zoos sind die beiden von Gaddafi mitgebrachten Kamele und die dressierten Chimpansen (eine Art der Tierhaltung, welche uns nur Gänsehaut bescherte, bei den Einheimischen aber pure Begeisterungsstürme auslöste.) Eine Fledermaus hatten sie zum Beispiel zum Zwecke der genaueren Betrachtung eingefangen und mit den Flügeln an den Boden genagelt. Ein Foto des armen Tieres erspare ich Euch lieber. Der beeindruckenste Teil der Stadrundfahrt war aber ganz sicher der Palast des Ashanti Hene mit einer sehr fesselnden Führung durch die Jahrhunderte der ghanaischen Königs-Dynastie. Gerne werden wir wieder nach Kumasi kommen, die Stadt hat sicherlich noch vieles zu bieten.

Nach Neujahr dann, welches wir am Strand von Elmina, ganz wie es sich gehört mit Trommelcombo aus dem Nachbardörfchen, verbracht hatten, reisten wir weiter nordwärts nach

Akosombo

Hier befindet sich der weltbekannte Volta-Staudamm. Akusombo selbst ist ein „Retortenstädtchen“, welches im Zuge der Errichtung des Staudammes (1961-65) entstanden ist. Es ist so anders als alle anderen Siedlungen im Lande. Auf dem Reißbrett entworfen, bis in die letzte Gasse durchorganisiert und sauber - gleich aussehende Häuser könnten auch eine Filmkulisse für David Lynch abgeben. Man fühlt sich versetzt in ein amerikanisches Provinznest der 50er. Die Besichtigung des Staudammes selbst war weniger beeindruckend, als wir sie uns vorgestellt hatten, aber trotz allem natürlich ein Muß, wird an diesem Ort doch der Strom für das Ganze Land erzeugt.

Anschließend verbrachten wir einige Tage in Amedzofe, dem höchstgelegenen Dorf Ghanas. Die Ortschaft liegt unterhalb des Mount Gemi. Unter anderem unternahmen wir eine Wanderung hinauf auf den Gipfel dieses zweithöchsten Berges des Landes:

Bei der Ersteigung Mount Gemis konnte sich Daan voll auspowern. Tapfer stiefelte er den ganzen Weg hinauf (und hinterher auch wieder hinunter), und wir waren überrascht, welche Ausdauer doch in unserem Sohn steckt. Aber es fesselte ihn, er sog alles Neue begeistert in sich auf, und genoß die Natur und Hannas anschauliche Erklärungen.

Auch der Wli-Waterfall (wieder einmal der höchste Ghanas) war ein einmaliges Erlebnis. Ein Bad darin macht glücklich!! (…wenn auch u. U. krank mit Bilharziose, wie wir allerdings erst im Nachhinein erfuhren. Aber auch dagegen gibt’s ja Medizin.)

In Sachen Handcraft können wir allen Interessierten auch noch zwei Sahnestückchen ans Herz legen: Zunächst einmal die nahe Akosombos gelegene

Cedi’s Perlenfabrik

Auf anschauliche Weise wurde uns hier die Glasperlenproduktion erläutert und auch vorgeführt. In liebevoller Handarbeit werden die Perlen ausschließlich aus Altglas gefertigt und auf unterschiedliche Weise verarbeitet. Nach der Führung hatten wir dann natürlich auch noch die Möglichkeit, Produkte zu erstehen, was wir auch fleißig taten. Aber eben nicht, weil wir dazu genötigt wurden, im Gegenteil, sondern weil wir so begeistert waren von der Art und Weise, wie hier Geschäfte gemacht werden. Davon könnten sich einige andere „Touristenörtchen“ ruhig eine Scheibe abschneiden.

Die zweite Empfehlung, die wir geben können ist es, fern der Trampelpfade der Touristen einfach mal wachsam die Gegend zu betrachten. Durch Zufall führte uns unsere Reise nämlich durch ein kleines Nest auf der Nebenstrecke zwischen Kpando und Ho, in dem Max plötzlich bemerkte, dass fast vor jedem Haus ein Handwerker saß. Wir hielten an, und es stellte sich heraus, daß hier Kente gewebt wurde:

Der Kente-Cloth ist ein traditioneller, sehr kunstvoll gewebter Stoff der Angehörigen des Akan-Stammes, welcher in früheren Zeiten ausschließlich von Königen getragen wurde, aber auch heute noch sehr verbreitet (und relativ teuer) ist. Das Weben von Kente ist eine Kunst, deren Ausübung nur Wenigen vorbehalten ist, da die Fertigkeit innerhalb der Famile von Generation zu Generation weitergegeben wird. Ganz unbehelligt durften wir den Künstlern zuschauen, unsere Fotos machen, bis dann irgendwann das restliche Dorf auf uns aufmerksam wurde, immer mehr interessierte Menschen herbeiströmten, um zu schauen, was denn die Obronis hier wollten. Bis dann von uns die Frage kam, ob sie denn auch verkaufen würden. Es stellte sich nämlich heraus, dass hier vornehmlich für den „Artmarket“, einen großen Touristenmarkt in Accra, gefertigt wurde. Aber unsere Anfrage weckte dann doch auf, immer mehr Leute kamen mit Selbstgewebtem an, welches wir auch noch unbedingt begutachten sollten. Natürlich kauften wir, und es machte Spaß, weil es so bezaubernd war!

So viel erst einmal von unserer gemeinsamen Reise in die Volta-Region. Natürlich gäbe es wie meist noch viel mehr, besonders an kleinen Begebenheiten, zu berichten, doch das würde wohl den Rahmen dieses Blogs sprengen.

Zur Zeit freut sich besonders Thomas über die steile Erfolgskurve des BVB, denn jaja… wir schauen Bundesliga! Zumindest samstags das letzte Spiel, denn das wird, wenn denn Strom da, tatsächlich live übertragen. Live und gratis: So etwas gibt es noch nicht einmal in Deutschland…

Gestern war im Übrigen „Independence Day“ in Ghana, ein Festtag, der landesweit laut und ausgelassen begangen wird. Jeweils am 6. März feiert Ghana nämlich den Tag der Unabhängigkeitserklärung von 1957. In Twifo wurden hierzu auf der großen Festwiese Reden geschwungen, musikalische Darbietungen aufgeführt, und großer Höhepunkt der ganzen Veranstaltung war schließlich der große Marschierwettbewerb der im Distrikt ansässigen Schulen. Jede derselben hatte wochenlang für diesen Tag geprobt und jeweils eine Delegation von SchülerInnen entsandt, die darum wetteiferten, welche Gruppe nun die beste sei in der Parade. Es war ein sehr buntes und kurzweiliges Schauspiel, die zum Teil richtig kleinen Kinder in ihren diversen Schuluniformen mehr oder weniger Synchron vorbeimarschieren zu sehen. Trotz Marschieren in (Schul-) Uniform unter zünftiger Begleitung der lokalen Brasband war die Veranstaltung geprägt von afrikanischer Lebensfreude und mutete keineswegs militärisch an. Weder wurden Waffen präsentiert, noch handelte es sich hier um schmissig-zackige Marschbewegungen, sondern mehr um ein engagiertes Armeschwingen zu Sambarhythmen. Sogar unsere Beiden hatten ihre Freude daran, und obwohl sie (noch) nicht mitmarschieren durften, waren sie doch richtig aufgeregt und bekamen leuchtende Augen, als ihre Schule „Forever Young“ an der Reihe war und ihre FreundInnen vorbeiexerzierten. Alles in allem war es ein schöner Tag und wieder einmal eine Erfahrung, die wir nicht missen möchten. Selbst wenn die Trockenzeit derzeit in vollem Gange ist und entsprechend ihren Tribut fordert. Heute waren es bsw. 34 Grad im Schatten, Klirrfaktor (muß man sich mal auf der Zunge zergehen lassen, diese Begrifflichkeit) 40,5 Grad. Und dass dem Anlaß entsprechend in ghanaischem Outfit, langem Venuskleid mit Synthetikfutter. *schwitz*

Bis bald, wir denken an Euch!

1. Februar 2011

Fufu…

Category: Essen,Twifo-Praso — Angelika @ 01:29

Fast zwei Monate ist es jetzt her, seit wir von uns hören ließen, und einige von Euch werden vermutlich schon gespannt sein auf unsere Version der gemeinsam verbrachten Zeit mit Hanna und Max, unserem zweiten „echten“ Besuch aus Deutschland. Leider muss dieser Bericht aber noch ein wenig warten, obwohl es viel zu erzählen gibt, aber andere Dinge sollen nun erst einmal Vorrang haben. Weil sie so „besonders“ sind. Und weil sie uns vielleicht ein wenig mehr von dem zeigen können, was das Leben in einer anderen Kultur bedeutet. Und wie diese andere Kultur funktioniert, wie wir funktionieren, was diese Kultur so einzigartig liebenswert wie für manche bisweilen bedrohlich wirken lässt.

Wie sich manche von Euch vielleicht noch erinnern, haben wir vor circa einem dreiviertel Jahr ein „niedliches kleines ghanaisches Welpenmädchen mit Namen ‘Afi’“ erstanden, welches uns allen auch sehr viel Freude bereitete – zu Anfang. Leider mussten wir uns letzte Woche schweren Herzens von ihr trennen, und das kam so:

Obwohl keiner von uns jemals einen Hund besessen hatte, geschweige denn hatte besitzen wollen, erschien uns Afrika, nicht zuletzt aufgrund unserer geänderten Lebensbedingungen mit viel Auslauf auf unserem entlegenen Hügelchen, doch der geeignete Ort, uns einen solchen anzuschaffen. Als Wachhund, Spielkamerad, Begleiter. Alle waren voller Freude, denn Afi war so süß! Von Anfang an hatte sie mich als Bezugsperson auserkoren, denn ich war die meiste Zeit von uns vieren zuhause und kümmerte mich mangels anderer erfüllender Tätigkeiten daher gerne um sie. Wir unternahmen täglich ausgiebige Spaziergänge, spielten, trainierten… schlicht: Wir waren ständig zusammen. Wo immer ich hinging: Afi war da. Und natürlich knappste ich von jedem guten Essen einen ordentlichen Happen für sie ab – sehr zum Leidwesen der anderen Fleischesser in unserer Familie. Für Afi nur das Beste. „Wenn wir uns schon einen Hund zulegen, dann soll er es auch gut haben.“

Leider verging aber die Zeit viel zu schnell. Meiner mangelnden Erfahrung in Sachen Hundeerziehung in erster Linie, eventuell auch noch ihrer Herkunft als „Nutzvieh“ in irgendeinem Hinterhof mag es geschuldet sein, dass es mir nie gelang, sie zum Befolgen von Kommandos zu kriegen. Sie hörte, ja, aber nicht immer. Und dann immer schlechter. Als ich schließlich wieder selbst begann, zu arbeiten (jaja, ich arbeite wieder. HURRA!!! ) und tagsüber die meiste Zeit fort war, wurde es zusehends übler. In der Zwischenzeit war Afi natürlich zu einer starken ausgewachsenen Hündin herangewachsen, und nach den Kindern schnappen oder ihr unbekannten Besuch anfallen war längst kein Spaß mehr. Ich versuchte in meiner mittlerweile knappen Zeit neben Job und kleinen Kindern noch einmal verstärkt, mit ihr zu üben, aber es half nichts. Als Afi dann irgendwann eine Frau angriff die bei uns wegen einer Arbeitsstelle bei uns vorsprechen wollte, so dass deren Knie blutete, entschlossen sich Thomas und ich, dass wir sie weggeben würden, wenn so etwas noch einmal passiert, rein aus Sicherheitsgründen, vor allem natürlich wegen der Kinder.

Dann kam der Tag vorletzte Woche, an dem Afi auf dem Balkon ein totes Eichhörnchen herumschleppte und damit herumspielte. Thomas war dienstlich unterwegs, die Jungs natürlich ganz aus dem Häuschen und interessiert, was Afi denn da hätte und so weiter… Jedenfalls versuchte ich, ihr das Ding abzunehmen, da griff sie mich an. Und ich hatte richtig Schiss. Wegen der Kinder, weil ich zurückgewichen war und das Ruder nun abgegeben hatte, weil sie wild umherlief und ich mich nicht mehr sicher fühlte. Matthew, unser Day-Watchman, rettete dann irgendwann die Situation mit dem Eichhorn, aber das Zeichen war für mich eindeutig: Das geht so nicht mehr. Matthew meinte dann auch gleich, wenn wir Afi abgeben wollten, würde er heute Abend nach Dienstschluss jemanden für uns finden, der sie näme. Also war die Sache geritzt.

Unerfreulicherweise zog sie sich dann doch noch einige Tage hin. Denn als besagter Mann am nächsten Tag anrückte, um das Tier an sich zu nehmen, büchste sie aus, sobald sie die Leine sah und wollte sich auch in den folgenden Tagen um nichts in der Welt aus ihrer Ecke herausbewegen. Wann immer sich jemand von uns näherte: wütendes Geknurre und Gekläffe. Irgendwann fasste sie dann aber doch wieder ein wenig Vertrauen zu mir, und ich konnte sie anleinen und mich in aller Ruhe von ihr verabschieden. In mir waren während dieser letzten Tage dann aber doch leise Zweifel aufgestiegen, und ich fragte mich, wie denn der neue Besitzer Afi transportieren wolle. Matthew erklärte mir auf meine Frage hin, er würde ihr einfach eins mit der Schaufel über den Kopf ziehen. Noch immer ahnte ich nichts. Naiv wie ich bisweilen bin fragte ich: „Ähm… nur so ein bischen? Dass die bewusstlos wird?“ „Nein.“ „Und hat er denn dann so eine Art Käfig dabei, oder wie will er sie zu sich schaffen?“ Da erklärte mir Matthew, dass der Neue Afi totschlagen würde und sie danach wegbringen und verspeisen. Ich war so verdutzt, dass ich gar nicht mehr viel sagen konnte. „There are these people from the North, a certain tribe… they believe, that it will give them strength…“ Die Zeit drängte, ich musste zur Arbeit, Afrika ist eben so. So oder so ähnlich ging es wohl in meinem Kopf.

Auf der Arbeit konnte ich mich gar nicht recht konzentrieren. Ich telefonierte mit Thomas, der war auch baff, meinte aber auch, ja, so sei wohl Afrika, Hunde seien hier von der Wertigkeit gleichbedeutend wie Chicken u.s.w. Als ich dann später mit mulmigem Gefühl zurück nach Hause fuhr, wusste ich nicht, was ich hoffen sollte. Dass Afi noch da sei, oder das ganze schon vollzogen. Afi war weg. Und der Balkon saubergeschrubbt wie schon lange nicht mehr. Keine Spur von ihr. Es war das erste (und hoffentlich einzige) mal während meiner Zeit hier in Ghana, dass ich weinte. Lange und ausgiebig. Die Tränen ließen sich gar nicht mehr zurückhalten. Ich fühlte mich, als hätten wir Afi benutzt und weggeworfen, und das trifft die Sache wohl auch irgendwie. Sie hatte einen Namen. Sie gehörte zu uns. Und nun ist sie tot. Weil wir versagt haben.

Die Kinder haben verblüffenderweise noch nicht einmal die gefürchtete Frage der Fragen gestellt: „Wo ist denn eigentlich die Afi?“

Ich habe lange überlegt, ob ich diese Geschichte ins Blog schreiben soll. Aber wie gesagt: Sie ist so speziell und „anders“, dass ich mich dafür entschieden habe. Fleisch kann ich seither nicht mehr anrühren. Auch so sind wir. Auch so ist Ghana. Und wir lieben es (und uns) trotzdem.

5. Dezember 2010

Das Leben der Anderen…

Category: Twifo-Praso — Angelika @ 01:45

Eine der großen Leidenschaften der GhanaerInnen ist es, auf Beerdigungen zu gehen. Dafür werden zum Teil anstrengende Reisen über weite Strecken in Kauf genommen. Diese Funerals sind im Grunde Benefizveranstaltungen, bei denen Geld für das Begräbnis und die Hinterbliebenen gesammelt wird. Je nach Bekanntheitsgrad des oder der Verstorbenen kann das schon mal zu einer richtige Massenveranstaltung ausarten, bei der alle sehr schick (wie übrigens bei allen öffentlichen oder kirchlichen Events) gekleidet sind und mehr oder weniger in ins Karre gruppierten Plastikstuhlreihen herumsitzen und sich langweilen. Für die von weither Angereisten gibt es eine warme Mahlzeit und meist sogar noch Takeaway-Food (Reis mit Chicken o. ä.) für die Heimreise. Bisweilen wird auch ein spezieller Sarg angefertigt, welcher der Persönlichkeit der oder des Toten Rechnung tragen soll. So kann der Sarg die Form eines Hammers für einen Schmied haben, eine Nähmaschine für eine Schneiderin usw. Oder aber die Leiche wird schön zurechtgemacht und (wie uns zugetragen wurde neulich im Beispiel eines Lehrers) sitzend an seinem Schreibtisch drappiert und zur Schau gestellt.

Gerade das letztere Beispiel war nicht gerade etwas, das wir unbedingt brauchten, und da Beerdigungen in Deutschland ja in der Regel auch keine sehr erheiternden Veranstaltungen sind, hatten wir uns bislang immer darum herumgedrückt. Aber neulich ließen wir uns dann doch breitschlagen, eine dreistündige Fahrt zur Bestattung der Kingmother eines von Thomas’ Kollegen nach Kumasi zu unternehmen. Und neugierig waren wir natürlich auch. Die Straßenverhältnisse waren indes denkbar schlecht, es ging über matschige Roughroads, denn die Wochen davor hatte es ausgiebig geregnet. Aber das kann ja die Einheimischen nicht schrecken. Und was soll ich sagen: Wir wurden überrascht. Da es sich bei der Verstorbenen um eine sehr bekannte und geehrte Persönlichkeit des öffentlichen Lebens handelte, war die Beerdigung entsprechend groß und auch traditionell. Alles verlief nach streng vorgegebenen Regeln. Der absolute Höhepunkt für uns war allerdings die große Begrüßungsrunde. Wichtige Persönlichkeiten (Queens und Chiefs) waren herbeigereist und hatten sich, ihrem Stande entsprechend hierarchisch geordnet, in oben erwähntem Karre niedergelassen. Und nun durften alle Gäste in langen Schlangen reihum gehen und all diesen Persönlichkeiten die Hand schütteln.

Just diese Zeremonie war für uns besonders beeindruckend, da wir bei der Kontaktaufnahme (Berühren, in die Augen Sehen) zum Teil bemerkenswert warmherzige und intensive Verbindungen aufnehmen konnten. Das war sicher nicht gespielt und sollte uns zeigen: „Herzlich willkommen in Ghana, schön, dass Ihr hier seid und einen wichtigen Teil unserer Kultur miterlebt.“ Und uns gab es eine weitere Bestätigung dafür zu sagen: „Ja, genau hier sind wir richtig.“

Langsam aber sicher stellt sich nun auch bei uns der Weihnachtsstress ein, auch wenn wettertechnisch noch so gar keine Stimmung aufkommen will (33 Grad am Tage). Die Anspannung, die uns umtreibt ist allerdings von ganz anderer Natur, als wir sie so kennen, weil wir hier einfach nicht, wie zuhause, mit Konsumgütern und Weihnachtsnippes beballert werden, sondern uns vielmehr richtig ins Zeug legen müssen, unsere Lieben mit halbwegs Annehmbarem zu beschenken. Allein das Basteln des Adventskalenders für die Kurzen hat wochenlange Vorarbeit erfordert. Hier auf dem Lande gibt’s eben keine Schoki, kein Geschenkpapier, keine Kordel oder Klebeband zum Befestigen… Jedes einzelne Utensil muss in schier endlos erscheinenden Märschen über den heimischen Markt (bei, wie gesagt, 33 Grad) erjagt und erfeilscht werden. „Und wieder was vergessen! Naja, Dienstag ist ja nochmal Markt.“ Mittlerweile hängt er natürlich, der Adventskalender. Aber es war nicht einfach.

Leider fiel unsere festeingeplante Accra-Dienstfahrt ins Wasser, weil Thomas fürchterlich an Angina erkrankt war und fast eine Woche lang mit Fieber das Bett hüten musste. Auf die Fahrt hatten wir alles gesetzt und schon eine große Einkaufsliste geschrieben. Na, nu isses anders gekommen. Auch das ist eine Erfahrung. Für die Grossen wird’s wohl in diesem Jahr Gutscheine geben.

Unsere kleine Farm hat indes weiteren Zuwachs bekommen: Findus, das rot-weiß getiegerte Katerchen, ist noch sehr scheu. Und nach gut drei Wochen in der Garage haben wir ihn heute kurzerhand an die Luft gesetzt. Es wird Zeit, sich an das Hofleben zu gewöhnen. Und vier echte Legehennen haben wir auch besorgt, original niederländische Importhennen sind das. Die gab’s beim Manager der hiesigen Schell-Tankstelle, welcher nebenbei eine gutlaufende Hühnerfarm betreibt. Bereits im Juli hatten wir versucht, zwei seiner Hühner zu ergattern, und nach nunmehr dreieinhalb Monaten beständigen Kontaktierens wurde unserer Bitte endlich stattgegeben. „Da nehmen wir doch gleich zwei mehr mit, was ich hab, das hab ich!“ Und entsprechende Aufregung herrschte bei Anabi, Araba und Matthew, unserem neuen Day-Watchman, als ich mit dem Federvieh hier vorfuhr. In Windeseile war das Hühnerhaus saubergefegt, die Hennen selbst aber kurzentschlossen in die Garage (welche ja nun wieder „unbewohnt“ war) verfrachtet. Widerworte oder Bedenken meinerseits fanden kein Gehör: ins Hühnerhaus konnten die Hennen auf keinen Fall „because of the snakes, they are too many here.“ Basta! Das saß. „Und was ist mit uns??!“ Und mit den einheimischen Hühnern draußen herumlaufen ging auch nicht, weil die sich angeblich nicht mit dicken Importhühnern vertragen und nur herumpicken. Na, wollen wir’s mal glauben. Was also tun? Hühner im Haus direkt unter unserem Wohnraum kam für uns unter gar keinen Umständen in Frage. Nach langem Hin und Her und wilden Diskussionen, in welche sich in echt afrikanischer Manier gleich noch diverse andere Leute einschalteten, die auch noch unbedingt ihren mehr oder weniger qualifizierten Senf zu der Sache geben mussten, entschieden wir uns endlich, das Hühnerhaus renovieren zu lassen: Moskitonetze erneuern, Innengehege bauen, Palme neben dem Gebäude absäbeln. Alles wegen der Schlangen, weil die sich so gerne von Bäumen herabgleiten lassen. Die ganze Aktion war wieder einmal so überzogen! Zwischenzeitlich palaverten sechs aufgeregte erwachsene Menschen über das Wohlbefinden von vier holländischen Legehennen. Und alles, weil wir uns in unseren kleinen, naiven Hirnen lecker Frühstückseier auf dem Tisch gezaubert hatten. Achso: Schweineteures Legefutter brauchen die Neuen übrigens auch. Rühr- und Spiegelei, wir kommen!!!

Nebenher läuft auch noch unser neues Projekt „Spielhaus für die Kinder.“ Auf einer unserer Fahrten durch die Dörfer hatten wir nämlich so eine Art Hütte auf Stelzen (vermutlich so eine Art Lagerraum) gesichtet und diese wundervolle Idee entwickelt. Anabi bot sich auch sogleich an, das für uns zu bauen. In unserem Garten, direkt vor’m Balkon, damit wir die Kids dann auch immer schön im Blick haben. Ok, geht klar. Nu werkelte Anabi also vor sich hin, jeden Tag ein bischen, schleppte dicke Äste und anderes Baumaterial aus dem Wald herbei, und das Werk nahm nach und nach Formen an. Eines Tages traten wir auf den Balkon, und was sahen wir da? Ein Mords-Gerüst, direkt vor unserer unbezahlbaren Aussicht auf den Pra. Nun mach mal einem schwer schuftenden, engagierten Handwerker (nachdem er in mühevoller Handarbeit die tragenden Säulen tief in den Boden gebuddelt und verankert hat) klar, dass das ja alles ganz toll, solide und wunderschön ist, was er macht, aber leider zwei Meter zu hoch. Alles wieder raus? Nee. We will cut it, don’t worry.“ Ich seh nur jeden Tag die Stelzen und bibbere. Bitte nicht schon wieder so eine Aktion!!! *lach*

Es ist in der Tat erstaunlich, wie Menschen aus unterschiedlichen Kulturkreisen sich so zusammenraufen können, wenn sie wollen. Für die Einheimischen, die mit uns leben, muss es ja völlig abstrus erscheinen, wenn wir just so eine Hütte in unserem schönen Garten bauen wollen. Nicht gar zum Lagern, sondern FÜR DIE KINDER. Aber eigentlich ernten wir meist ein erstauntes Lächeln und bereitwillige Unterstützung für unsere Vorhaben, so abwegig sie den Menschen auf den ersten Blick auch vorkommen mögen (und vermutlich zum Teil auch sind.) Zweifelten wir in Deutschland bisweilen daran, ob wir unser Leben nicht genügend kindgerecht gestalteten, so stellen wir hier angesichts der Lebensumstände der einheimischen Kinder fest, wie sehr unser Leben und auch unser Denken auf unsere Kinder ausgerichtet sind. Kinder in Ghana, und davon gibt es eine ganze Menge, laufen im alltäglichen Leben so mit. Die Eltern etwas zu fragen wird unterbunden, da dies als Zeichen mangelnden Respekts empfunden wird. Einen speziellen Raum, abgesehen von Schulen, die teils lediglich „Verwahranstalten“ sind, gibt es nicht.

Kaum ein Tag vergeht, an dem wir nicht von Kindern (aber auch Erwachsenen) auf der Straße oder auch im Laden angebettelt werden: „Obroni, give me money!“ oder „Buy me this!“ oder „I am hungry.“ Wer nicht entsprechend zu selbständigem Denken und eigenverantwortlichem Handeln angeleitet wird, der wird auch später keine anderen Ideen entwickeln, als um Unterstützung von außen zu bitten. Es ist ein Desaster. Allein in unserem Landkreis fielen bei den letzten zentralen Abschlußprüfungen 16 Schulen komplett durch. Alle Kinder. Wiederholen ist nicht. Da kann von Glück sprechen, wer es sich leisten kann, eine Privatschule zu besuchen, die einen gewissen Anspruch hat. Aber für die Wenigsten besteht diese Chance.

3. November 2010

The Tourist (1)…

Category: Accra,Cape Coast,Elmina,Sehenswürdigkeiten — Angelika @ 01:00

Von den Ameisen angenagt?! Verschlungen??! Nein, wir leben noch. Aber die Arbeit als auch unsere persönliche Erbauung hatten uns doch dermaßen in Beschlag genommen, daß für’s Meldung Machen irgendwie kaum die nötige Ruhe aufkommen wollte. Zu unserer übergroßen Freude durften wir nämlich unter anderem die ersten realen, echten, handfesten privaten Gäste aus Deutschland bei uns begrüßen: Kira war mit ihrer Freundin Jess eingeflogen, und diesen Umstand haben wir dann auch zum Anlass genommen, uns in der (bislang noch sehr spärlichen) Touristikbranche Ghanas ein wenig umzutun. Die Mädels waren natürlich erst einmal leicht geschockt und auch erschlagen von den vielen neuen Eindrücken, die auf sie einstürmten. Auf vieles kann man sich eben einfach aus der Ferne nicht adäquat vorbereiten, man muss es auf der eigenen Haut spüren, um zu ergründen, ob man damit klar kommen kann. Wie zum Beispiel der geschäftige Dschungel Accras, die Armut vielerorts, das immerwährende Auffallen als Menschen mit weißer Hautfarbe, dann dem gegenüber das Hineingeworfenwerden in die Abgeschiedenheit hier in Twifo… So haben wir also versucht, ein Mischprogramm zwischen Erholung, dem Erfahren des Alltags in Afrika und dem Abklappern von Sehenswürdigkeiten zu fahren, und wir denken, die beiden haben das schon ganz gut hingekriegt, denn nach den gut zwei Wochen Aufenthalt hatten sie sich schon merklich akklimatisiert.

So wollen wir also heute ein wenig von dem berichten, was es in unserer Gegend so zu sehen gibt:

Accra

Die Hauptstadt Accra an sich ist unserer Ansicht nach schon ein echtes Hightlight und eine eigene Reise wert. Überall auf den Straßen laufen Unmengen an Menschen herum mit Schüsseln auf den Köpfen, deren Inhalt sie in die im Stau wartenden Autos hinein verkaufen. Und feilgeboten werden auf diesem Wege nahezu alle Güter des täglichen Bedarfs. Snacks selbstredend in allen Variationen, oder (lebenswichtig!) gekühlte Trinkwasserbeutel, aber auch Fußballtrikots, Kissen nebst Bezügen, Taschenlampen, Rasierklingen, Sandalen, Tische, Spielzeug, Toilettenpapier… Im Grunde ist dies für Leute mit Geld Luxus pur. Man muss nur lange genug in der Stadt herumkurven, und der Einkauf ist erledigt. Für die Verkäufer selbst sichert es das pure Überleben. In einer Stadt mit zu vielen Menschen auf engstem Raum und kaum einer Chance auf Bildung oder gar einen echten Arbeitsplatz riskieren diese Menschen tagtäglich ihre Gesundheit beim Umherwandern zwischen den zum Teil echt noblen Karossen.

Wie wohl in so ziemlich jeder Großstadt wird auch in Accra allerorts gebaut, und da viele Straßen keine Namen haben, ist, hindurchzufinden, selbst mit Stadtplan ein großes Abenteuer. Neben Prachtpalästen sieht man die kärglichen Wohnbezirke der weniger betuchten Bevölkerung, Arm und Reich leben dicht beieinander in, wie es scheint, friedlicher Koexistenz. Nichtsdestotrotz sind die Kriminalitätsraten hoch, den Taxifahrer sollte man sich vor dem Einsteigen genau anschauen. Von Wastemanagement ist kaum etwas zu sehen, Plastik- und anderer Müll wird einfach achtlos auf den Boden geworfen, ja man wird förmlich ausgelacht, wenn man nach einem Papierkorb oder Karton für die leeren Wasserbeutel sucht. Nahe der Kanäle stinkt es erbärmlich nach Kloake, am Strand werden die Schweine entlanggeführt, wer ein dringendes Bedürfnis verspürt sucht sich einfach eine freie Stelle und auf den Müllhalden wandern die Kinder umher auf der Suche nach Noch-Verwertbarem.

Natürlich gibt es auch das andere Gesicht Accras. Im Shoppingparadies der Accra Mall merkt der gepflegte Obroni kaum etwas von alldem. Dann die Einkaufsmeile Osu mit seiner Oxford-Street, in der ein Souvenirshop an den anderen schließt und wo es sogar Pizzerien, Chroissants und einen italienische Eissalon gibt. Oder auch das Meer mit zum Teil bezaubernden Plätzen, an denen direkt am Strand ein Continental Lunch serviert wird.

Zwei Seiten einer Stadt, die man entweder lieben oder hassen kann. Wir präferieren kurze Stippvisiten, um bisweilen auch wieder einmal ein wenig städtische „Zivilisation“ zu schnuppern oder uns mit Waren einzudecken, sind aber dann auch immer wieder froh, nach Hause (ja, ja, so nennen wir es schon!) in die Beschaulichkeit Twifos zurückzukehren.

Kakum National Park

Etwa 45 Autominuten von Twifo entfernt, aber noch in unserem Distrikt, befindet sich der weltberühmte Kakum National Park mit einer Fläche von rund 2500 Quadratkilometern und einem von weltweit sechs Canopy Walkways, einer 350 m langen und 30 m hohen Hängebrücke. Von dort oben kann man (theoretisch) einen grandiosen Blick über die mittelhohen Regionen des tropischen Regenwaldes genießen, gesetzt den Fall man ist schwindelfrei und hat in seinem Besichtigungstrupp nicht gerade zufällig eine wilde Horde kreischender amerikanischer Teenager, die panisch an den Seilen herumreißen. Oder klammernde Kleinkinder, die unbedingt (!) rüber wollen, aber bitte nur auf dem Arm. Oder heftigste Regenfälle die Sicht erschweren. Alles schon erlebt. *g* Der Tour vorgelagert ist eine kleine, leicht in die Jahre gekommene, Naturkundeausstellung, welche jedoch auf jeden Fall einen entspannten Besuch verdient.

Auch wenn der Wackelbrücken-Lauf ein unvergleichliches Erlebnis und Hauptattraktion des Parks ist, bleibt festzustellen, dass der gemeinen Besucherin lediglich ein kleiner Bereich des Gesamtareals zur Besichtigung offensteht. Das touristische Angebot richtet sich demnach mehr an durchreisende Konsumurlauber als an wirklich an der Natur Interessierte.

Cape Coast Castle

Cape Coast Castle war während der britischen Kolonialzeit die führende Festung für den Sklavenhandel. Es wurde 1665 in 50-jähriger Bauzeit von den Briten errichtet. Dafür wurden Holz, Marmor und anderes Baumaterial aus England importiert. Da das Land sehr goldreich war, wurde es „Goldküste“ genannt mit Cape Coast als erster Hauptstadt.

Leider ist Cape Coast Castle heute relativ touristisch und demzufolge belagert von Händlern, die Besucher zum Kauf ihrer Souvenirs drängen. Eine Führung gab es nicht, dennoch ist die Festung natürlich sehenswert und ein absolutes Muss für jeden, der sich in Cape Coast aufhält.

Elmina Castle

Elmina Castle ist ein Produkt der Portugiesen und wurde 1482 unter dem Namen „St. George of the Mine Castle“ erbaut. Es war der erste Handelsposten, der am Golf von Guinea errichtet wurde und stellt somit das älteste noch existierende europäische Bauwerk südlich der Sahara dar. Ursprünglich als Handelsniederlassung konzipiert, wurde das Castle später einer der bedeutendsten Stützpunkte des Sklavenhandels im Atlantik. Auch nachdem die Niederlande die Festung 1637 von Portugal übernommen hatten, wurde der Sklavenhandel noch bis 1814 fortgesetzt. Heute ist die Festung Teil des UNESCO-Weltkulturerbes.

Ebenfalls von Souvenirverkäufern umlagert, so ist die Festung doch, eventuell auch dank der sehr informativen und interessanten Führung, noch beklemmender als Cape Coast Castle. Das Elend der Sklaven, die dort auf den Abtransport oder ihr grausames Ende warteten, ist förmlich spürbar. Andererseits hat man vom Castle aus einen phantastischen Blick sowohl auf das Meer als auch den wuseligen und farbenfrohen Hafen mit Fischerbooten Elminas. Man fühlt sich förmlich ins 19. Jahrhundert zurückversetzt. Darüberhinaus befindet sich auch noch ein gut sortierter Buchladen mit Romanen aber auch Sachliteratur im Gebäude, so dass sich ein Besuch auf jeden Fall lohnt. Übrigens verarbeitete hier Werner Herzog 1987 mit Klaus Kinski das Thema der Sklaverei in dem Film „Cobra Verde.“

Boti Wasserfälle

Die spektakulären Boti-Wasserfälle liegen in der Eastern Region, eingebettet in das Reservat von Huhunya, nahe der regionalen Hauptstadt Koforidua. Von Koforidua fährt man zunächst rund 7 km auf einem schmalen Sträßchen ins Gebirge, biegt dann links ab, um auf einem leicht überdimensional wirkenden Rastplatz mit diversen Picknickmöglichkeiten nach amerikanischem Vorbild zu landen. Hier stellt sich schnell die Frage, wann denn jemals hier ein Grüppchen ein Barbecue veranstaltet hat. Nach erfolgreichem Überqueren des Picknickplatzes geht es auf circa 200 Stufen bergab zu einem lauschigen Plätzchen am tosenden Wasserfall.

Ganz in der Nähe, im Waldgebiet von Esen-Epam, befindet sich darüberhinaus der angeblich höchste und in der Tat recht imposante Baum Westafrikas mit einer Höhe von 107 m.

Beide Plätze haben gemeinsam, daß man mit dem Auto vor das Ereignis fährt, 10 Minuten zur Sensation spaziert, staunt, genießt, Fotos knipst, und wieder zurückstiefelt zur rollenden Air-Condition.

Die ersten Erfahrungen zeigen uns, daß es in diesem Land für uns auch touristisch noch viel zu entdecken gilt. Hatten wir vor einem Jahr noch den Edersee als eines unserer Regenerationsziele auserwählt, so liegen wir heute unter Palmen an den wunderbaren Stränden Elminas. Schön ist’s!

13. September 2010

Das große Krabbeln…

Category: Cape Coast,Twifo-Praso — Angelika @ 01:31

Das erste Vierteljahr ist vergangen wie im Fluge, und allmählich kommen wir in Twifo an. Es ist nicht mehr alles so aufregend und neu wie zu Beginn (obwohl es natürlich nach wie vor „spektakulär“ ist), aber es wird uns auch mehr und mehr deutlich, dass wir uns hier tatsächlich einem ländlichen Teil Ghanas befinden. Mit den positiven Seiten, wie Nachbarschaftshilfe und Friedfertigkeit, als auch den Schattenseiten des Lebens in der Provinz. Kulturelle Angebote, interessante Kneipen, anregende und auch vertrauliche Gespräche gibt es so gut wie nicht, und natürlich fehlen uns unsere Freunde. Folglich begeben wie uns nahezu an jedem, spätestens jedoch an jedem zweiten Wochenende auf die einstündige Reise ans Meer nach Cape Coast. Einerseits, um einzukaufen und uns mit dem nötigsten Luxus zu versorgen, andererseits aber auch, um einfach mal abzuschalten oder ein Stückchen Urbanität zu erhaschen. In der Anonymität der Stadt läßt es sich doch gleich ein wenig freier bewegen. In Cape Coast gibt’s sogar Pommes (für Menschen aus Twifo Praso eine sehr exotische Speise und für uns mittlerweile eine echte Sensation!), der Stoffladen offeriert wunderschöne, moderne Designs, und die Obroni-Exklusivität ist ob der vielen Volunteers deutlich reduziert.

Aber nicht, dass jemand denkt, wir seien unglücklich: mitnichten. Ich schaue mir immer wieder gerne stundenlang staunend die wunderschönen Frauen in ihren farbenfrohen und kreativen Gewändern an, und Thomas futtert sich voller Elan durch die gesamte Bandbreite der hiesigen Snacks und Leckereien. Tatsächlich sind wir schon mehrfach zu der Erkenntnis gelangt, dass unsere Idee, gemeinsam ein echtes Stück Afrika zu erfahren, in Twifo eher als in einer ghanaischen Großstadt zu realisieren ist.

Aufgrund der vielen Nachfragen, aber auch aus aktuellem Anlaß wollen wir uns heute allerdings hauptsächlich einem eher unerquicklichen Themengebiet zuwenden, nämlich den zahlreichen unliebsamen Gästen, die unser schmuckes Häuschen noch so beherbergt. Während der letzten drei Wochen hat es geregnet, wir befinden uns sozusagen am Ende der Regenzeit. Aber wo viel Wasser ist, da sind auch viele Viecher, und das bekommen auch wir zu spüren. Es mückt und krabbelt überall verstärkt. Da hilft auch regelmäßiges Giftsprühen wenig.

Doch auch ohne Regenzeit ist jede Menge los: Betritt man nachts die Küche, so kann man dem Überlebenskampf der Natur quasi hautnah beiwohnen: Riesige, zentimetergroße Ameisenarmeen durchpflügen jeden Millimeter nach Eßbarem. Und wehe, die Küchenablage ist nicht lupenrein sauber! Da werden verendete Käfer oder Raupen weggeschafft, eine komplette Ananas, die vergessen wurde, in den Kühlschrank zu legen, vertilgt. Es gibt da im übrigen (was wir nie ahnten) unterschiedliche Arten von Ameisen. Manche sind riesig groß andere so klein, daß sie mit bloßem Auge kaum zu erkennen sind. Letztere kommen dann auch durch jeden noch so kleinen Spalt, wie Cremetuben oder Schraubgläser mit Zucker. Zur Zeit haben wir eine Ameisenstraße eben dieser Klitzekleinen quer durch’s Wohnzimmer. Wo’s da ‘was zu essen gibt, können wir beim besten Willen nicht ausmachen, aber vom Eßtisch wird wohl irgendein Brotkrümel in einer der vielen Bodenritzen gelandet sein.

Mit der Zeit nehmen wir’s gelassen. Immerhin werden wir von Kakerlaken weitestgehend verschont. Ab und an flitzt mal eine quer über den Boden, aber das wars. Toitoitoi! Aber Tausenfüßler, die haben wir auch. Sie kommen überall durch die Leitungen hochgekrabbelt und sind zum Teil auch riesengroß. Das hier ist eher ein kleines Exemplar, welches wir neulich im Eßzimmer auflasen:

Bei allem, was nicht Tausendfüßler, Raupe, Käfer oder Ameise heißt, rufen wir meist panisch unseren Watchman Anabi zu Hilfe. Der kommt dann auch immer gleich mit seiner Machete herbeigeeilt, um uns zu retten. Da er zeit seines Lebens mit der Natur gelebt hat, weiß er immer Rat und kann uns von den Plagegeistern befreien. In der unteren Etage, aber auch auf dem Balkon suchen gerne Kröten Unterschlupf. Neulich entdeckten wir nahe beim Haus eine Schlange, die gerade ihre Zähne in eine solche Kröte geschlagen hatte. Anabi erklärte uns später, die Kröten enthielten ein Gift, und die Schlangen würden ihnen dasselbige aussaugen, um sich selbst damit aufzupumpen. Von wegen: Schlange frißt Kröte usw. Wir sind halt doch sehr naiv bisweilen. *g* Hier also eine unserer Balkonkröten:

Was besonders mich anfangs fix und fertig machte, weil ich es so ekelig fand, sind die vielen Geckos (Eidechsen, auch hiervon gibt es verschiedene Spezies), die sich um, aber auch in unserem Häuschen so tummeln. Nicht nur, dass sie sich in allen Ritzen dieses alten Gebäudes verbergen, nein, das unangenehmste sind die Köttel, die sie hinterlassen, und die wir täglich von den Fenstern, der Badewanne, den Stühlen etc. entfernen müssen. Nach fast vier Monaten im Regenwald muss ich jedoch sagen: Alles halb so schlimm. Eigentlich sind die Kleinen ja sogar ganz putzig. Und überdies fressen sie uns die Moskitos weg:

Ach ja… und die Mäuse… (Ratten haben wir erfreulicherweise ja noch nicht ausmachen können.) Was mich wirklich erbost, sind die Mäuse. Das ganze fing so an: Ziemlich bald nach unserer Ankunft entdeckte ich eine ebensolche in unserer Küche. Sie knabberte immer alle Plastiktüten mit dem Brot durch und hinterließ ihre Exkremente in allen Ecken. Ich also: Kunststoffkisten im großen Stil eingekauft. Nach langem Umherirren in Twifo („So etwas brauchen wir hier nicht, wir machen das anders.“) eine Mausefalle erstanden. Mausefalle aufgebaut, Köder reingelegt. Jeden Morgen: leergefutterte aber ansonsten noch voll gespannte Falle neu bestückt. So ging das eine ganze Weile. Irgendwann spritzte mir besagte Maus nebst ihrem Geschwist (jaja, es waren jetzt zwei!) mal wieder nachts auf der Küchenablage entgegen und floh in die obere Küchenecke, da gelang mir folgender Schnappschuß:

Das Foto zeigte ich dann am nächsten Tag Anabi, denn die Mäuschen sahen mit ihrem buschigen Schwanz zwar irgendwie drollig, aber doch anders aus und begannen darüberhinaus ernsthaft, mich zu nerven. Er war ganz aus dem Häuschen und meinte, es sei so eine Art „Bushmeat“ (ausgewachsen an die 30 cm lange Grasnager, die hier wild im Wald gejagt und oft an der Straße verkauft werden, um den Fleischbedarf zu decken. Dieses Jagen erfolgt allerdings in der Regel mit Hilfe von Gift, so dass wir uns eines Verzehrs gerne enthalten.) So mußte es sich wohl um zwei Bushmeat-Babies handeln. Ich möchte gar nicht darüber nachdenken, wo die Mutter steckt. Jedenfalls hat Anabi besagte Mäuschen auch bald erwischt. Und zur Zeit haben wir eine neue, echte Maus im Wohnzimmer, wo sie nachts munter in der Wand herumnagt und hoffentlich kein Nest baut (gerade rumort sie schon wieder.)

Unsere „Gelassenheit“ stößt natürlich an ihre Grenzen, wenn irgendwas Gefährliches sich in unserer Nähe tummelt. Was uns eben heute sehr erschreckte, war ein etwa fingergroßer, hochgiftiger Skorpion, der in unserem Gemüsegärtchen herumkrabbelte. Da war selbst unser Wächter mehr als vorsichtig und wies die Kinder gleich an, Schuhe anzuziehen.

Ansonsten krieche ich gerade auf dem Zahnfleisch, denn seit vier Wochen haben die Jungs Ferien. Und da Thomas’ Arbeit in der Assembly mittlerweile so richtig Fahrt aufnimmt (was ihm ja zu wünschen war) und auch spannend und interessant ist, sehne ich nur noch den Dienstag herbei, wenn die Schule wieder losgeht.

Bis bald also, Ihr Lieben, mit hoffentlich erfreulicheren Themen!

12. August 2010

Auf Achse…

Category: Essen,Twifo-Praso,Verkehr — Angelika @ 00:52

Wann immer es unsere Zeit erlaubt, fahren wir etwas über eine Stunde nach Cape Coast, der nächstgelegenen Stadt, um uns mal wieder mit “lecker” Dosenerbsen u. ä. zu versorgen. Es ist kaum zu fassen, aber Gemüse ist hier in Twifo und Umgebung echte Mangelware. Was es gibt, sind aus dem nördlichen Tamale herangeschaffte und daher etwas teurere Yam (gegart etwa vergleichbar mit mehligen Kartoffeln), Cassava, Ocra, Garden Eggs (eng mit Auberginen verwandt) und Zwiebeln oder auch Chili, aber alles andere ist für Einheimische kaum erschwinglich, weil nicht lokal, oder nur als Importware in Dosen für teuer Geld zu erstehen. Genießbares Fleisch ist rar und Käse gibt es gar nicht, wenn man mal von Schmelzkäseecken absieht. Wir retten uns mit Thunfisch und Bockwürstchen aus der Dose. Morgen allerdings kommt ein Arbeiter, um ein Stück unseres Geländes zu einem Gemüsebeet umzuspaten: „Gemüseanbau für Anfänger“ - Muss ich mal im Internet nachschlagen. *g*

Auf der anderen Seite ist vieles hier in Ghana eigentlich gar nicht so exotisch wie wir uns das vorgestellt haben. Einiges aber ist dann doch deutlich anders als in unserem beschaulichen D-Land. Zum Beispiel das, was sich so alles wie wo auf der Strasse bewegt. Ach übrigens danken wir an dieser Stelle schon mal allen, die uns Kommenare und Anmerkungen und Grüße senden, sehr. Das zeigt, dass wir nicht allein sind (was uns sehr glücklich macht.) Und noch eine Anmerkung, da Thomas bereits mehrfach gefragt worden ist, wie es denn so im Job läuft: in diesem Blog werden wir nix über die Arbeit schreiben, weil das nicht erlaubt ist, ohne die Pressestelle der „Firma“ zu informieren. Dieses hier ist ein privates Blog, also gibt’s auch nichts Dienstliches.

Insbesondere für Thomas traumhaft ist, dass hier überall die netten alten 508er ‘rumfahren. Für die Kenner der Szene die „Düsseldorfer“ von Mercedes Benz, alte Buss, die bis 1982 gebaut wurden. Die Dinger sind fast alle super lackiert, haben aber meist ordentliche Motorprobleme (kaum Kompression) und schnaufen schwerbeladen dicke schwarze Russwolken ausstoßend die Hügel hinauf.

An Markttagen in Twifo Praso ist dann auch auf der Strasse die Hölle los, unzählige Kia- und Nissan Urvan-Trot-Trots kommen, um Marktfrauen und -männer sowie Besucher in die Handelsmetropole zu karren - und abends natürlich auch wieder nach Hause zu bringen – meist über Pisten, wie beispielsweise zur circa 50 km entfernten Hauptstadt des nächsten Distriktes Assin Foso. Fahrtzeit: in etwa eine Stunde. Und da kann man schon mal müde werden…

Und weil es Thomas ein spezielles Anliegen ist, hier noch einmal ein paar Details zu meinem Defenderchen. Es ist ein Landrover Defenderchen, Baujahr 1998. Der sieht außen herum klasse aus, weil er schick lackiert ist, hat aber sicher schon viel erlebt in seinem Leben und ächzt und knackt und kracht ordentlich rum. Aber alle sagen „this is a good and strong car“. Das Defenderchen - ja, wie soll ich es sagen? Wer sich sowas zulegt, braucht es in der Tat wirklich, weil es durch unwegsames Gelände gehen soll (bislang nicht wirklich der Fall bei uns), oder hat unseres Erachtens ein kleines Egoproblem (-> Eisdiele). *lach* Das Fahrgefühl ist wirklich “intensiv” und „ursprünglich.“ Rund um Twifo bewegen wir uns meist über Teerstrassen, die allerdings gespickt sind mit heftigsten Schlaglöchern. Beim Defender: keine Dämpfung, dass heißt ausweichen um jeden Preis. Erinnert eher an ein Computerspiel, die Fahrerei. *g* Aber dafür ist ein Defenderchen cool, und viele Leute sind ist beeindruckt. Und hier in Afrika passt er in die Landschaft. Sehr von Vorteil ist natürlich, dass überflüssiger Elektro-Schnickschnack nicht vorhanden ist, so dass das Defenderchen bei Bedarf von den zahlreichen Fittern der Region rasch wieder flott gemacht werden kann.

Aber es könnte schlimmer sein: Vorwärts kommen nämlich auch ganz andere Geräte wie z.B. dieser Holzlaster, der täglich durch Twifo juckelt, nur jetzt gerade nicht, weil ein Slick geplatzt ist und es wohl eine Woche dauern wird, bis er gewechselt wird. (Arbeits-) Zeit ist hier nämlich nichts wert, im Gegensatz zu Waren. Wozu also wertvolles Profil vergeuden, wenn der Lastwagen doch noch drei Tage länger fahren könnte, bevor notgedrungen ein neuer Reifen drauf muss? Darum kümmert sich dann der Fahrer, nachdem er liegen geblieben ist: Zur nächten Stadt laufen, Reifen nebst Reifentransport zur Pannenstelle organisieren (was im Zweifelsfall auch mal etwas länger dauern kann, wir sind ja hier in Ghana und nicht immer alle Größen vorrätig), Reifen montieren, weiterfahren.

Und ein Schmankerl haben wir auch noch für Euch. Thomas war doch neulich die sehr bedeutsamen traditionellen Paramount Chiefs besuchen. Dabei ist dieses Foto entstanden:

Daraus könnte man doch prima ein Suchbild basteln: Wo ist der Obroni? Erkennt Ihr ihn??

Das Foto wurde vor dem Präsidentenpalast des für Twifo Praso zuständigen Chiefs aufgenommen. Bei der Dame in der Mitte handelt es sich übrigens um das Ebenbild der verstorbenen Chief-Mother von Twifo.

28. Juli 2010

Gute Zeiten, schlechte Zeiten…

Category: Twifo-Praso — Angelika @ 01:03

Letzten Freitag starb unser Nachbar, ein wirklich angesehener und bekannter Mann in Twifo an einem Leberleiden, wie man munkelt. Er war noch gar nicht so alt gewesen, unter 50, würde ich sagen, und wir hatten ihn zwei Wochen vorher noch getroffen und einen Besuch geplant. Derbe so etwas. Jedenfalls ist es seitdem ziemlich busy hier auf unserem Hügelchen, den ganzen Tag über fahren die Taxen rauf und wieder ‘runter, weil ja jeder kondulieren will. Und hier oben wird auch alles fein rausgeputzt (man will ja, dass alles schön reinlich und fesch ausschaut für die da unten.) Araba werkelt in allen Ecken, die sie vorher anscheinend noch nie wirklich zur Kenntnis genommen hatte, die „Grasscutter“ sind wieder anmarschiert, um mit ihren Macheten unseren „Rasen“ zu stutzen, der Weg wird hübsch eingefasst… Denn Freitag, genau eine Woche nach dem tragischen Ereignis, wollen sich alle Bekannten und Freunde am Haus des Verstorbenen treffen, um gemeinsam zu trauern. Und da kommen sie ja dann auch an den beiden vorgelagerten Gebäuden (inclusive unserem) vorbei. Alles in allem nehmen Trauerzeremonien und Beerdigungen hier in Ghana einen hohen Stellenwert ein, alle Handlungen vollziehen sich in einer streng festgelegten Reihenfolge. Die Beisetzung wird folglich in circa 2 Monaten erfolgen.

Obschon die Kinderbetreuungs-Situation durch die Schule nun etwas besser geworden ist, habe ich irgendwie für mich selbst trotzdem kaum Zeit, weil vormittags immer Kleinkram ansteht, wie Handwerker auf den Hügel und wieder ‘runterkarren, Besorgungen in der Stadt machen, oder Vorhänge zurechtschneiden, und nachmittags highspeed gespielt werden muss, und zwar ohne Verschnaufpause. Komplizierter als gedacht gestalten sich nämlich auch die “Freundschaften” für die Kinder. Nachdem der erste Kindergarten (katholische Schwestern) in einem mittelgroßen Desaster endete, probieren wir jetzt immerhin den zweiten aus (Mormonen), diesmal für beide, und das funktioniert besser. Wo auch immer wir uns in der Stadt mit den Rackern blicken lassen, tauchen Kinder in Horden auf, die alle ganz aufgeregt “Obroni!” (“Weiße!”) rufen, und die beiden berühren wollen (was die natürlich gar nicht leiden mögen). Das ist alles in der Regel sehr lieb gemeint und gar nicht herabwürdigend, doch Daan rettet sich dann in der Regel in Angreifen und Kämpfen, Janne klammert. Und in der Schule sind unsere beiden natürlich die privilegierten Reichen, die immer Sonderbehandlungen erhalten. Langsam, ganz langsam tasten sie sich an das Englische heran, aber um richtig kommunizieren zu können, braucht es natürlich noch Zeit. Aber wir halten durch und hoffen weiter. Ein halbes Jahr haben wir uns ja gegeben, dann sollten die Kinder in trockenen Tüchern sein.

Der wahre Kulturschock ist allerdings die Tatsache, dass es hier für unseren Geschmack irgendwie so gar keine Ästhetik zu geben scheint. Konsumgüter sind entweder China-Importware, oder in so einem altmodischen Style, wie es meine Uroma nicht hätte anders aussuchen können. Echt krass das. Jeder, dessen Gesundheit es erlaubt, versucht, sich mit irgendwelchen Tätigkeiten über Wasser zu halten. Die meisten verkaufen irgendwas, und jeder das Gleiche: Tomatenmark in Dosen, Kräcker, Palmöl. Und dann gibt es Schneider und Tischler in Massen, aber das, was sich so “Taylor” oder “Carpenter” nennt, sind meist Leute, wie Ihr und ich, die halt durch irgendwelche Umstände das Geld für eine Nähmaschine oder eine bisserl Werkzeug zusammengespart hatten, und dann draufloswerkeln. So probieren wir zur Zeit den vierten Taylor aus, um ein paar olle Schaumstoffkissen für unser Sofa beziehen zu lassen. Neben dem Gehuddel kommt da dann natürlich noch das Geschmacksproblem hinzu. Es ist wirklich richtig schwer, da zu erklären, was genau wir wollen. Dass ein Quader-Schaumstoffkissen eben einen Bezug mit Seitenteilen haben sollte, weil es, wenn einfach nur durch eine Naht an der Seite zusammengenäht wird, eben so unschöne Dellen und Zipfel an den Ecken kriegt. Oder dass es irgenwie nicht so prickelt, ein orangefarbenes Batikkissen mit neonblauen Reissverschlüssen zu haben. Oder dass man die Enden nicht einfach so lässt, sondern umnäht, weil sie sonst mit der Zeit ausfransen. Und so weiter, und so fort, das Ganze könnte ich noch zwei Seiten so weiter führen. Es ist Wahnsinn, welche Fehler man eigentlich alle machen kann. *g*

Zudem verschimmeln uns nebst den neuen Bambusmöbeln, die wir reihum immer mal raus in die Sonne zum Trocknen und Lüften schleppen, unsere gesamten Klamotten in den (offenstehenden) Schränken. Es ist echt ein Jammer und macht mich richtig traurig, da zuzusehen. Aber wir wissen uns leider keinen Rat, außer, den Ventilator den ganzen Tag lang laufen zu lassen und uns eine Skelett-Konstruktion zum Aufhängen der Kleidung beim Carpenter unseres Vertrauens in Auftrag zu geben, in der vagen Hoffnung, dass es dann etwas besser wird.

Schön ist immerhin, dass wir zur Zeit unseren ersten Gast hier beherbergen, einen wirklich netten Kollegen, der beim lokalen Radiosender mithelfen soll. Der ist natürlich noch ganz frisch und neugierig, und so kommen wir auch endlich mal dazu, unsere Umgebung ein bischen eingehender zu erkunden. Und tut auch gut, sich nochmal mit jemand anderem über all die Alltäglichkeiten austauschen zu können, mit denen wir hier natürlich konfrontiert sind. Viele Dinge in der Interaktion der Menschen passieren hier so selbstverständlich und nebenbei, aber für uns sind sie neu und erst einmal unverständlich. Wieso steckt zum Beispiel der Elektriker beim Weggehen Araba ‘nen Cedi zu? „Because it’s part of our culture.“ (Wer gerade was hat, hilft dem, der klamm ist.) - Wieso kriege ich als einzige Frau beim Sit-In vor dem Trauerhaus kein Getränk angeboten? „Part of our culture.“ (Mein Mann und ich werden als eine Person gesehen, weshalb wir natürlich auch aus einem Glas trinken.) - Wieso darf ich Klein-Janne beim Gang über den Markt um himmelswillen nicht auf meinen Schultern tragen, wie ich es gewohnt bin? „Part of our culture.“ (Weil alles, was oben getragen wird, frei zum Verkauf steht.) Was wirklich dahintersteckt, muss man erst einmal herausklabüstern. Es ist nicht besser oder schlechter, so doch einfach anders, als wir es in unserer Kultur so gewohnt sind. Und wir wollen es ja nicht nur respektieren, sondern auch verstehen.